Teilnahme an der Mitgliederversammlung

§ Sie fragen – wir antworten

Besteht für mich als Vereinsmitglied ein Recht oder die Pflicht zur Teilnahme an der Mitgliederversammlung?

Vorbemerkung: Die Mitgliedschaft im Kleingärtnerverein (KGV) nur aus dem Grund zu begründen, um die Voraussetzung für den Abschluss eines Kleingartenpachtvertrages zu schaffen, ist mehr als bedenklich und abzulehnen. Von einem Naturfreund – und vor allem einen “aktiven” Gartenfreund – wird eine positive Grundeinstellung und ein darauf fußendes aktives Verhalten als Vereinsmitglied und als Kleingartenpächter zum Erhalt und der Förderung der Kleingärtnerei und damit des Kleingartenwesens erwartet.

Es gilt immer wieder zu unterstreichen: Die Mitgliederversammlung (MV) ist das höchste und zugleich das wichtigste Vereinsorgan. Ihr obliegen die Grundentscheidungen in allen (!) Vereinsangelegenheiten (§ 32 BGB). Diese finden in der Vereinssatzung und in (weiteren) Beschlüssen ihren Niederschlag. Sie sind für alle Vereinsorgane und für alle Vereinsmitglieder und für alle Kleingartenpächter gem. den vertraglichen Regelungen im Kleingartenpachtvertrag verbindlich und ggf. mit rechtlichen Mitteln durchsetzbar. Das völlig unabhängig davon, ob das Vereinsmitglied an der MV teilgenommen hat oder nicht, die diese Grundentscheidungen getroffen hat. Auch unabhängig davon, ob sich das an der MV teilnehmende Vereinsmitglied bei der Abstimmung der Stimme enthalten oder den Beschlussvorschlag abgelehnt hat.

Die MV ist insofern auch Zeitpunkt und Ort der Zusammenkunft aller Vereinsmitglieder zur Wahrnehmung ihres Mitbestimmungsrechts, zur Entscheidung in Vereinsangelegenheiten, die von grundsätzlicher Bedeutung sind und anderem mehr – wie zu freundschaftlichen Begegnungen und Pausengesprächen unter Gartenfreunden.

Da der Gesetzgeber weder im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in seinen Vereinsregelungen noch in anderen Gesetzen die Pflichten eines Vereinsmitgliedes – so auch die Pflicht zur Teilnahme an der MV- begründet, ergeben sich ihre Grundpflichten unmittelbar aus der Vereinssatzung und aus satzungsgemäß zustande gekommenen Beschlüssen der MV.  Das berechtigte Verlangen und die daraus resultierende moralische Verpflichtung zur Teilnahme an der MV ergibt sich aus § 5 der in allen KGV im Wirkungsbereich des Stadtverbandes Leipzig der Kleingärtner e.V.  gültigen Mustersatzung:  Jedes Mitglied hat das Recht und die Pflicht sich aktiv für den Erhalt und die Förderung des Vereins … einzusetzen … (und) sich aktiv am Vereinsleben zu beteiligen.

Fazit: Eine gesetzliche Pflicht zur Teilnahme an der MV besteht entsprechend den demokratischen Entscheidungsfreiheiten der Menschen in einem Rechtsstaat folgend nicht. Zu unterstützen sind alle Positionen, die unterstreichen, dass sich aus der in der Vereinssatzung allgemein gehaltene Pflichtenlage die moralische Pflicht zur Teilnahme an der MV in sich einschließt und grundsätzlich zu den jedem Vereinsmitglied obliegenden Treue- und Förderpflichten zuzuordnen sind.

Diese Treue – und Förderpflichten gegenüber dem Verein, die nicht ausdrücklich im Gesetz und Satzung genannt und ausgestaltet sind haben folgende Hauptinhalte:

Die Treuepflicht gegenüber dem Verein gebietet, sich innerhalb und außerhalb des KGV gegenüber seinem Verein loyal zu verhalten und sein Verhalten dem mit der Begründung der Mitgliedschaft anerkannten Vereinszweck anzupassen. Demzufolge den Vereinszweck zu verinnerlichen und im persönlichen Verhalten umzusetzen und aktiv zu fördern. Das beinhaltet kein Verbot für das Vereinsmitglied, sich bspw. in der MV kritisch zu ihrer Vorbereitung, Durchführung oder zur Arbeitsweise des Vorstandes zu äußern.

Die einem Vereinsmitglied obliegende Förderpflicht beinhaltet die Verpflichtung, aktiv am Vereinsleben, so auch an den MV und anderen Vereinsveranstaltungen teilzunehmen und sich aktiv für die Realisierung des Vereinszwecks und der Beschlüsse der MV oder/und seines Vorstandes einzusetzen. Zu den Förderpflichten ist auch die Bereitschaft zur Ausübung von Ämtern bzw. Tätigkeiten zuzuordnen.

Der tatsächliche Inhalt der Treue- und Förderpflichten eines Vereinsmitgliedes richtet sich natürlich auch nach seiner Stellung im Verein.

Bezogen auf die MV soll noch einmal unterstrichen werden: Jedes Vereinsmitglied sollte sich – insofern keine in der Person des Vereinsmitgliedes oder in seinen Lebensbedingungen entschuldbaren Gründe für deren Abwesenheit vorliegen – aktiv an dem Meinungsbildungsprozess zu den Grundfragen des Vereins, an den Willensbildungsprozess bei vorgesehenen Beschlussfassungen und an der Abstimmung über den Inhalt und den Wortlaut der Beschlüsse aktiv beteiligen.

Die Anwendung von in der Vereinssatzung vorgesehenen Vereinsstrafen für Fälle der Nichtteilnahme an der MV setzt voraus, dass in der Vereinssatzung eine solche Pflicht ausdrücklich bestimmt wird und auch die Anwendung einer Vereinsstrafe bei Nichtteilnahme – und in welchen Fällen – ausgestaltet ist.

Dr. Wolfgang Rößger

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