Heimische Heilpflanzen: Wegwarte

Wegwarte

Ist Ihnen bekannt, dass am Blühverhalten mancher Pflanzen die Uhrzeit bestimmt werden kann? Linné (1707- 1778) war aufgefallen, dass einige Pflanzen ihre Blüten zu ganz bestimmten Zeiten öffnen und auch wieder schließen. So pflanzte er in Uppsala (Schweden), die erste Blumenuhr mit neun ausgewählten Pflanzen. Die Wegwarte (Cichorium intybus) ist eine der Pflanzen. In Schweden öffnet sie ihre Blüten schon zwischen 4 und 5 Uhr morgens. Bereits um 10 Uhr werden sie wieder geschlossen. Solch eine Blumenuhr mit verschiedenen Pflanzen ist in diesem Jahr im Botanischen Garten zu sehen.

Die Wegwarte ist eine Heilpflanze, die bereits im Altertum bekannt war. Dioskurides und Plinius berichten, dass die Pflanze von Ägyptern als magenstärkendes Gemüse kultiviert wurde.

Die Wegwarte gehört zu den Korbblütengewächsen. Sie ist auch unter den Namen Rattenwurz, Sonnenwirbel, Wegeleuchte oder Zichorie bekannt. Zu finden ist sie überall, an Wegrändern, Böschungen, Brach- und Ödland, auf Schutthalden und an Bahndämmen. Sie liebt schweren und lehmigen Boden und ist eine mehrjährige Pflanze, die mit einer langen und spindelförmigen Wurzel im Boden verankert ist. Im zweiten Standjahr werden bis zu 1 m hohe Stängel ausgebildet. Diese sind kantig, hohl, rauhaarig, hin und her gebogen und sperrig verästelt. Die unteren Laubblätter sind tief eingeschnitten und ähneln den Blätter des Löwenzahn. Auffallend schön sind die blauen Blüten. Selten sind sie rosa oder weiß. Die Blüten sitzen einzeln oder zu wenigen vereint in den Blattachseln und öffnen sich nur bei Sonnenschein. Sobald sie verblüht sind, werden die Blüten durch neue ersetzt. Die Zeit der Blüte zieht sich von Juli bis September hin.

Als Heilpflanze wird das blühende Kraut genutzt, das frisch oder getrocknet verwendet wird. An Inhaltsstoffen sind in der gesamten Pflanze Bitterstoffe,  Gerbstoffe, Zucker, Glycoside und bis  zu  58% Inulin in den Wurzeln enthalten. Inulin ist ein Ballaststoff, den der menschliche Körper nicht verwertet . Inulin wandert unverdaut durch den Körper. Erst im Dickdarm können die Darmbakterien die Fructose im Inulin verwerten. So fördert Inulin die gesunde Darmflora und verdrängt krankmachende Keime im Darm. Inulin aktiviert die Verdauung, löst Verstopfung, bindet Flüssigkeiten, quillt auf und fördert dadurch den Stuhlgang. Inulin ist gut verträglich für Diabetiker.  Ein Tee aus Kraut und Wurzel zubereitet, regt den Appetit, Harnfluss und die Verdauung an, auch mildert er Leber-, Gallen- und Magenbeschwerden.  Die Wegwarte ist ein Tonikum amarum, ein bitteres Anregungs- und Kräftigungsmittel vor allem bei gestörtem Stoffwechsel.

In der gesunden Küche findet die Wegwarte große Anerkennung. Junge Blätter eignen sich als Grundlage  für Salate, können aber auch zu Gemüsegerichten, Saucen und Suppen verarbeitet werden. Mit zunehmendem Alter schmecken die Blätter bitter. Bekannt ist sicher vielen von uns noch  der Zichorienkaffee oder „Muckefuck“, der aus getrockneten, gerösteten und gemahlenen Wurzeln erhalten wird. Er ist wieder ein beliebtes Getränk geworden. Als einen Farbakzent für Salate, Brotaufstriche oder als kandierte Leckerei eignen sich die wunderschönen blauen Zungenblüten. Die Pflanze schmeckt  chicoreeartig, leicht bitter und saftig.

Chicorée, auf unserem  Speiseplan sehr beliebt, ist die in Kultur genommene Wegwarte. Zichorienwurzeln, die im Dunkeln getrieben wurden, schmeckten milder. Bestimmte Herkünfte zeichneten sich dafür aus. Heute ist es ein beliebtes Wintergemüse.

Wird eine Chicorée in den Garten gepflanzt, entwickelt sich wieder eine Wegwarte.

Wegwarte, eine interessante Pflanze, die uns ständig begleitet.

Dr. Hannelore Pohl

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