In diesem Monat dürfen wir schon mit den Blüten an der Walderdbeere (Fragaria vesca) rechnen. Die wintergrüne, mehrjährige, krautige Pflanze gehört zu den Rosengewächsen. Die Laubblätter stehen in Rosetten. Die Pflanze wird nicht höher als 5 bis 25 cm. Die Blütezeit erstreckt sich von April bis Juni. Reife Früchte können den gesamten Sommer, bis zum Winterfrost geerntet werden. Jeder Stängel trägt nur wenige zwittrige Blüten. Eine Selbstbestäubung findet allerdings nicht statt, da die Blüten vorweiblich sind. Bestäuber sind Fliegen, Schwebfliegen und Bienen. Das Pollenangebot ist hoch, auch ist der Nektar am Blütengrund leicht zugänglich. Ameisen lecken gern den Nektar auf, sie sind „Honigräuber“.
Nach der Bestäubung werden Früchte gebildet, die im Sprachgebrauch als Beeren bezeichnet werden. Botanisch sind es jedoch Sammelnussfrüchte, da jedes Fruchtblatt der Blüte ein 1 mm hartschaliges Nüsschen bildet. Die Blütenachse verdickt und wird zur Fruchtachse. Aus den zahlreichen Nüsschen bildet sich die Frucht. Das Blütenachsengewebe verfärbt sich, ist im unreifen Zustand grün und wird durch Einlagerung von Anthocyan dann rot. Auch nimmt der Wassergehalt in dem Blütenachsgewebe zu, die Frucht nimmt dann ihre typische Gestalt mit dem typischen Geschmack an.
Die Walderdbeere ist in weiten Teilen Europas verbreitet. Sie liebt lichte Laub- und Nadelwälder mit feuchten aber gut durchlässigen humusreichen Böden. Als Unterwuchs fühlt sie sich auch in unseren Gärten wohl.
Walderdbeeren werden schon lange genutzt. In der Antike wurden sie von römischen Dichtern gepriesen, im Mittelalter (14. Jahrhundert) schon recht großflächig angebaut. Seit dem 18. Jahrhundert erfolgte kaum noch eine Kultivierung, da die großfrüchtigen Chileerdbeeren (Fragaria chiloensis) und Kreuzungen mit der amerikanischen Scharlacherdbeere (F. virginiana) bevorzugt wurden.
Monatserdbeeren sind die kultivierte Form der Walderdbeeren mit einer noch längeren Blühzeit.
Als leckere Nascherei und medizinisch werden die Früchte und die Blätter genutzt. Die Früchte enthalten u.a. Folsäure, die Vitamine C, E und K, Mineralstoffe, Fruchtsäuren, Phytosterine und Zuckeralkohol (der den Blutzuckerspiegel nicht erhöht). Sie sind harntreibend und erfrischend, kalorienarm, als diätetisches Mittel zu verwenden, wecken die Lebensgeister, helfen bei Fieber und Verstopfung und haben laut wissenschaftlicher Untersuchung eine positive Wirkung auf die Leber und die Galle.
Die Blätter enthalten 5 bis 10 % Gerbstoffe, Flavonoide, wenig ätherisches Öl und Salicylsäure. Sie zeigen eine milde Wirkung bei Durchfall, sind ein gutes Gurgelmittel bei Entzündungen im Hals- und Rachenbereich und wirken harntreibend. In vielen Frühstückstees sind Erdbeerblätter enthalten.
Die Walderdbeere ist ein Symbol der Weltlust, der Verlockung und der Sinnesfreude. Durch den Phänotyp der Walderdbeere ist ihre christliche Bedeutung zu erklären. Sie hat eine rosenförmige Blüte, bildet keine Dornen (Stacheln) aus, die Beeren sind ohne Kern und Schale und die Pflanze blüht und fruchtet zur gleichen Zeit. So wurde die Pflanze zum Sinnbild der Rechtschaffenheit und zur Begleitpflanze von Maria auf mittelalterlichen Tafelgemälden. Sie ist als Allegorie frommer und guter Gedanken zu verstehen.
Dr. Hannelore Pohl