Heimische Heilpflanzen: Speierling

Speierling

Heilende Pflanzen vor unserer Haustür

Ein interessanter Wildobstbaum, der 1993 Baum des Jahres war, soll in diesem Monat vorgestellt werden. Im Botanischen Garten ist dieser Baum, der Speierling (Sorbus domestica) zu finden.

Sein ursprüngliches Verbreitungsgebiet wird in Süd- und Südosteuropa bis Kleinasien und Nordwestafrika vermutet. In Deutschland sind Speierlinge vorwiegend im Südwesten, am Rhein, Neckar, im Nahetal, Taunus und Unterfranken zu finden. Speierlinge können 20- 30 m hoch werden, sind sommergrün mit einer gelb- orangen Herbstfärbung, einem tief reichendem  Herzwurzelsystem und einem Alter bis zu 400 Jahren. Derartige Bäume sind dann als stattliche Solitärbäume zu finden.

Der Baum gehört zur Familie der Rosengewächse und zur Gattung der Mehlbeeren, ist also verwandt mit der Maulbeere, der Eberesche und der Elsbeere. Die Rinde der Bäume ist rau, die Borke rissig, klein schuppig und graubraun, ähnlich der des Birnbaumes. Die Blätter stehen wechselständig und spiralig, sind in Blattstiel und Blattspreite  gegliedert. Die Blattspreite ist unpaarig gefiedert, 13- 21 Fiederblättchen sind vorhanden. Bis auf die Endblättchen sind sie fest sitzend. Die Unterseite der Blätter ist graugrün, filzig und behaart. Nach der Laubentfaltung erscheinen von Mai bis Juni die weißen zwittrigen Blüten, die angenehm duften. Die Bestäubung erfolgt durch Schwebfliegen, Bienen und Falter. Die Blüten sind gute Nektarlieferanten. Die entstehenden Früchte, die entweder apfel- oder birnenförmig sind, reifen ab September. Sie sind größer als die Früchte der Vogelbeere, sind grün- gelblich und auf der Sonnenseite oft rötlich. Vollreif sind sie schokoladenbraun. Es ist eine große Variation in der Größe, Form und Färbung zu finden. Die Früchte enthalten bis zu 10  orange- braune, eiförmige Samen, über die die Vermehrung erfolgen kann. Die Samen sind Frost- und Dunkelkeimer.

Seit der Antike wird der Speierling als Nahrungsmittel geschätzt. Bereits Theophrast (4. Jahrhundert v. Chr.), Plinius (1. Jahrh. v. Chr.) und Karl der Große (8. Jahrh.) priesen dieses Obstgehölz. Die Römer sorgen für die Verbreitung nördlich der Alpen. Der Geschmack der Früchte ist gewöhnungsbedürftig. Durch den hohen Gerbstoffgehalt wurden sie in der Volksmedizin gegen Diarrhö, Ruhr und Erbrechen empfohlen. In der Pfalz galt der Ausspruch, dass „es dem Lüsternen den Mund bis zu den Ohren zieht“. Große Bedeutung haben die hartreifen Früchte als Bestandteil oder Zusatz bei der Herstellung von Most oder Obstwein (Cidre). In der Maingegend ist der Speierlingswein bekannt. Die Tannine des Speierlings verbessern die Klärung, das Aussehen, die Haltbarkeit, Bekömmlichkeit und den Geschmack des Weines. Die Tannine sind besonders erwünscht, wenn säurearme Birnen oder mindere Qualitäten von Tafelobst gekeltert werden sollen.

In Frankreich wird ein starker Branntwein (Sorbette) aus Speierlingen hergestellt. In Bulgarien werden Speierlinge wie Mispeln als süßsaure Beilage verwendet, in Russland haben sie Bedeutung in der Zuckerbäckerei. Auch kann Konfitüre oder Mus aus den Früchten hergestellt werden. Teigig gewordene Früchte sind roh schmackhaft, doch äußerlich unansehnlich, weswegen die auch als Drecksäcke bezeichnet werden.

Da der Baum sehr langsam wächst, liefert er ein gutes, schweres Holz, das für Weinpressen oder das Joch der Zugtiere verarbeitet wurde. Auch Cembalobauer schätzten es wegen seiner akustischen Eigenschaften. So wurde auch  Speierlingsholz  gern zum Bau der Pfeifen des Dudelsack genutzt, da es sich durch einen besonders kräftigen und hellen Klang auszeichnet.

Die Borke ist reich an Tanninen und war Bestandteil der Gerberlohe.

Ein attraktiver Wildobstbaum mit vielen verschiedenen Einsatzmöglichkeiten.

Kontaktdaten:  Freundeskreis Botanischer Garten Oberholz, Störmthaler Weg 2, 04463 Großpösna, Tel. 034297- 41249, Mail: botanischer-garten-oberholz@gmx.de 

Hannelore Pohl.

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