Gartenbesitzer lieben bestimmte Pflanzen, andere Pflanzen „passen“ nicht in den Garten und sind dadurch weniger beliebt. Zu solch umstrittenen Pflanzen zählen sicher die Kratzdisteln, die große Gattung der Cirsium- Arten, die zu der Familie der Korbblütler gehört.
Kratzdisteln sind ein-, zweijährige oder ausdauernde Pflanzen, die stattliche Höhen bis zu 400 cm erreichen können. Sie sind in Europa, Asien, Afrika und Nordamerika zu finden. Von den etwa 200 Arten der Gattung Cirsium sind in unseren Gebieten vorwiegend die Ackerkratzdistel, C. arvense, die gewöhnliche Kratzdistel (Foto), C. vulgare, die Wollige Kratzdistel, C. eriphorum und die Kohldistel, C. oleraceum heimisch. Die Pflanzen sind sehr anpassungsfähig und siedeln sich auf Schuttplätzen, Wegrändern, Waldlichtungen und an Ufern von Gewässern an. Allgemein ist festzustellen, dass die Pflanzenteile dornig bewehrt sind und die Stängel verzweigt sein können. Die Laubblätter stehen grundständig und sind am Stängel verteilt angeordnet. Sie sind fein bis grob gezähnt oder ein- bis dreifach gelappt. Die Blattzähne und -lappen besitzen dornige Spitzen. Die grünen Blattflächen sind kahl oder kurz, dicht und weiß- grau behaart. Die Blütenstände sind mittelgroß und körbchenförmig. Sie stehen entweder endständig oder in den Blattachseln im oberen Teil der Pflanze. Bei einigen Arten (Ackerkratzdistel, Gemeine Kratzdistel) stehen sie in kleinen Gruppen in einfachen oder verzweigten Gesamtblütenständen zusammen. Die Blütezeit erstreckt sich von Juni bis September. Die Blüten der einzelnen Arten sind gelblich oder purpurfarben. Nach der Befruchtung werden Samen (Achänen) gebildet, die mit feinen Pappushärchen bedeckt sind. Die Verbreitung erfolgt durch den Wind, als Haarflieger.
Disteln bringen Leben in den Garten. Diese Pflanzen bereichern in allen Aspekten. Kaum eine andere Wildpflanze bietet eine vergleichbare Menge an Pollen und Nektar für die unterschiedlichsten Insekten (wie u.a. Hummeln, Bienen und Schmetterlinge). Kratzdisteln spenden Schutz und Nahrung als Kinderstube für Falterraupen. Auch locken sie mit ihren proteinreichen Samen die Vögel (wie Stieglitze oder Distelfinken) in der Winterzeit an. Ebenso ist sie als Zierpflanze für den Garten vielseitig einsetzbar, da es für jeden Standort eine geeignete Distel gibt.
Alle Kratzdisteln sind essbar. Verwendung finden die zarten Wurzeln, die im ersten Jahr von September bis zur Winterzeit geerntet und frisch, als Koch- und Bratgemüse oder getrocknet und gemahlen als Gemüsemehl genutzt werden können. Zarte Stängel, Blätter und Blüten können roh in Salaten gegessen oder zu Kochgemüse und Spinat verarbeitet werden. Ihr Aussehen erinnert an Spargel. Blütenknospen und junge Blütenköpfe ergeben schmackhafte Gemüsegerichte oder eine Delikatesse durch Einlegen in scharfe Marinaden. Blütenblätter sind eine essbare Dekoration auf Salaten, Buffets oder in Brotaufstrichen. Der Geschmack ist mangoldartig, saftig und mild.
An Inhaltsstoffen sind in der Pflanze Gerbstoffe, Alkaloide, ätherisches Öl, Fette und Flavonoide enthalten. In der Wurzel vorwiegend Inulin, ein Stoff der für Pflanzen eine Energiereserve und für den menschlichen Organismus ein Ballaststoff ist.
Ein aus Kratzdisteln bereiteter Tee wirkt krampflösend, harntreibend und beruhigend, bei Erkrankungen von Leber und Galle, bei Husten und äußerlich bei rheumatischen Beschwerden oder Venenleiden, zur Wundheilung und als Brei aus frischen Blättern bei Insektenstichen. Volksmedizinisch werden die Pflanzen nur noch selten verwendet, da es offensichtlich für diese Anwendungsmöglichkeiten besser wirkende Pflanzen gibt.
Interessant ist auch, dass unabhängig von ihrer Herkunft die Distel seit mehr als 500 Jahren ein wichtiges schottisches Symbol ist. Schottlands wichtigster Ritterorden, der 1687 gegründet wurde, ist der älteste und edelste Distelorden.
Dr. Hannelore Pohl