In der Gattung der Stelzen gibt es drei Arten die auch in unserer Gegend vorkommen, die ich Ihnen vorstellen möchte. Sie fallen dadurch auf, dass sie sich hauptsächlich auf dem Boden laufend fortbewegen, nur gelegentlich werden kurze Sprünge oder Fangflüge eingeschoben. Dabei wird der Kopf vor und zurückbewegt und der Schwanz führt auf- und abwippende Bewegungen aus. Der Flug ist wellenförmig. Auf kurze, fallende Strecken mit angelegten Flügeln folgen flatternde Aufwärtsbewegungen.
Der relativ dünne und spitze Schnabel zeigt eine leichte Erhebung über den unbefiederten Nasenlöchern. Die Beine sind lang und schlank, die Füße recht langzehig mit mehr oder weniger stark ausgeprägter Hinterkralle. Die Geschlechter sind mehr oder weniger deutlich unterscheidbar. Sie nisten am Erdboden, in Felsen oder Spalten.
Stelzen kommen in zahlreichen Biotopen offener und halboffener Landschaften von der Ebene bis ins Hochgebirge vor. Viele Arten findet man bevorzugt in Gewässernähe, einige sind weitgehend an Binnengewässer gebunden. Sie sind Kulturfolger, die wenig Scheu vor dem Menschen zeigen und auch innerhalb von Siedlungen brüten. Die meiste Zeit verbringen Stelzen auf dem Boden, sitzen aber auch oft erhöht auf Warten.
Die wohl bekannteste und häufigste Stelzenart ist die Bachstelze (Motacilla alba) die als Halbhöhlen- oder Nischenbrüter mitunter auch ihr Nest an einer Baulichkeit in unseren Gärten errichtet. Kopf und Nacken sowie Kehle und Vorderbrust sind schwarz. Der Rücken hellgrau und die Stirn, die Kopfseiten und die Unterseite ist weiß. Der Schwanz ist schwarz mit weißen Außenfedern. Beim Weibchen reicht das Schwarz am Oberkopf nicht oder nur wenig weit in den Nacken. Der Bürzel sowie die Flügel sind grau- bis schwarzbraun.
Die Bachstelze ist meist in Bewegung. Man sieht sie oft im ausdauernden, trippelnden Lauf. Der Vogel wirkt schlank und ist auch über größere Entfernung sicher zu erkennen. Sie ist bis zu 18 cm groß und wiegt ca. 25 g. Auffällig ist ihr wellenförmiger Flug. Nach mehreren schnellen Flügelschlägen lassen sich die Vögel mit angelegten Flügeln regelrecht fallen, um anschließend wieder flatternd Höhe zu gewinnen.
Als weitere Nistplätze kommen Erdwände, Felsen, hohle Kopfweiden, unter Baumwurzeln, im Efeugerank, in Holstößen und Bretterstapel, auf Querbalken in Schuppen, Viehhütten und unter Dächern in Frage. Das Nest selbst ist kunstlos aus kleinen Wurzeln, trockenen Blättern, Moos und Fasern errichtet und innen mit Tierhaaren und Federn ausgepolstert. Das Nest wird nur vom Weibchen gebaut, das dabei vom Männchen begleitet wird. Das Gelege findet man von Mitte April bis in den Juli und besteht aus 5 bis 6 weißlichen Eiern mit grauen Punkten und kleinen Flecken dicht besetzt. Die Brutdauer beträgt 12 bis 14 Tage. Die Nestlinge sind anfangs blind und werden von beiden Eltern gefüttert. Nach etwa 14 Tagen werden sie flügge. Es finden zwei Jahresbruten, bei günstigen Wetter- und Futterbedingungen mitunter auch eine Dritte, statt. Bachstelzen werden zum Ende des ersten Lebensjahres geschlechtsreif, es schreiten aber offenbar nicht alle Weibchen gleich im ersten Jahr zur Brut. Die Art führt eine monogame Saisonehe.
Der ursprüngliche Lebensraum ist in der Nähe von Bach- und Flussufern, heute kann man sie jedoch überall in der offenen Landschaft antreffen. Auch weitab des Wassers an menschlichen Siedlungen. Die Bachstelze ruft im Flug zweisilbig wie ,,zississ”, oft mehrfach zweisilbig hintereinander.
Sie ernährt sich vor allem von Insekten, manchmal werden auch Beeren oder Sämereien gefressen. Die Nahrung wird vorwiegend am Boden gesucht, oft auf kurzrasigen Flächen, Wiesen oder Äckern. Aber auch im Flug können Insekten gefangen werden. Die Bachstelze ist größtenteils Zugvogel, der schon in SW-Europa und im Mittelmeerraum, in großer Zahl aber auch in Nordafrika, und zwar nicht nur in den Vegetationszonen der immergrünen Hartlaubgehölze und der Trocken- und Dornsavannen, sondern verbreitet auch an Wasserstellen in der Sahara und auf der Arabischen Halbinsel überwintert.
Auf dem Herbstzug ziehen sie vorwiegend tagsüber, im Frühjahr auch nachts. Sie vergesellschaften sich ziehend, bei lokal reichhaltigem Nahrungsangebot und an den Schlafplätzen oft zu größeren Schwärmen. Der Heimzug beginnt ab Februar. In den Brutgebieten treffen die meisten Vögel in der zweiten und dritten Märzdekade ein, bis Mitte April ist der Zug abgeschlossen. Besonders durch ihre Wanderung sind sie starken Gefahren ausgesetzt, so dass ca. 80 % der Jungvögel das erste Jahr nicht überleben.
Das Höchstalter freilebender Bachstelzen wird mit knapp 10 Jahren und in menschlicher Obhut mit mindestens 10 Jahre und 9 Monate angegeben.
Klaus Rost