Aus der Vogelwelt: Rohrsänger – Schilf- und Seggenrohrsänger

Foto - Johannes Martin CC BY-SA 4.0
Foto - Johannes Martin CC BY-SA 4.0

Beobachtet man einen Rohrsänger, der singend von einer Halmspitze zu pieperartigem Balzflug einige Meter über das Röhricht emporflattert und dann wieder auf seinen Ausgangsplatz zurück-kehrt, so handelt es sich ohne Zweifel um den Schilfrohrsänger(Acrocephalus schoenobaenus).

Er unterscheidet sich von den übrigen Rohrsängerarten besonders dadurch, dass das Männchen seinen recht ansprechenden Gesang während eines kurzen Balzfluges ertönen lässt. Er singt auch gerne in der Nacht. Der Schilfrohrsänger ist ein kleiner bräunlicher, kaum sperlingsgroßer Singvogel. Im Gegensatz zu den anderen Rohrsängern ist der Schilfrohrsänger auffallend gezeichnet. Er ist beigebraun, hat einen spitzen Kopf, der mit einem deutlichen und sehr langen, gebogenen und sich nach hinten verjüngenden hellbeigen Überaugenstreif ausgestattet ist. Der dunkle Scheitel mit der undeutlichen Streifung und der schmale dunkle Zügel-Augenstrich bilden dazu einen Kontrast. Das Deckgefieder am Rücken ist bräunlich oder gelblich und unscharf dunkel gestreift. Der Bürzel ist einfarbig rostbraun und die Kehle weißlich, Brust und Unterseite sind gelblich-rahmfarben.

Er baut sein Nest bodennah im Röhricht, an Hochstauden und oft an Seggenbulten. Anders als der Name des Schilfrohrsängers vermuten lässt, ist dieser deutlich weniger an Schilf gebunden als der Teichrohrsänger und der deutlich größere Drosselrohrsänger. Beide Partner sind am Bau beteiligt, die Hauptarbeit leistet jedoch das Weibchen. Das Nest besteht aus Halmen, kleinen Wurzeln und Moos. Die Nestmulde wird mit Pflanzenwolle und Tierhaaren ausgepolstert. Der Schilfrohrsänger baut das Nest nicht zwischen einbezogenen Schilfhalmen wie andere Rohrsänger. Nur das Weibchen brütet, die Aufzucht wird jedoch von beiden Altvögeln übernommen. Die 4 – 6 weißlich mit gelblichgrauen oder graubraunen Flecken dicht besetzten Eier mit gelegentlich schwarzen Haarlinien versehen, werden in 12 – 15 Tagen bebrütet. Nach einer Nestlingszeit von 10 – 16 Tagen verlassen die Jungen das Nest und halten sich in der Umgebung verborgen, wohin ihnen die Altvögel noch weitere 10 – 14 Tage Futter bringen. Sobald die Jungen selbständig geworden sind, beginnt das Paar oft mit dem Bau eines weiteren Nestes für ein zweites Gelege.

Der Speiseplan der Schilfrohrsänger wird von tierischer Nahrung (Insekten) beherrscht, nur im Herbst ergänzen sie ihn mit fleischigen Früchten. Sie überwintern in Afrika von Nigeria, Sudan und Kenia bis in den Süden des Kontinentes. Mit bis 200 Brutpaaren ist sein Brutvorkommen seit 1978 in Sachsen relativ konstant. Für Deutschland wird ein Bestand von 6.000- 12.000 BR ausgewiesen. Rund 75% aller Schilfrohrsänger sterben im ersten Lebensjahr; dreimal wurden Ringvögel mit einem Alter von mindestens 6 Jahren gefunden.

Der Seggenrohrsänger (Acrocephalus paludicola) ist innerhalb Europas die einzig global vom Aussterben bedrohte Singvogelart. In Deutschland ist er ein sehr seltener Brutvogel. Die einst zum geschlossenen Brutareal (Osteuropa) gehörenden Vorkommen im Nordosten sind bis auf kleinste Flächen geschrumpft. Entlang der deutsch/polnischen Grenze im Nationalpark Unteres Odertal gibt es nur noch einige wenige singende Männchen. Seit 2011 läuft dort ein Projekt des Bundesamtes für Naturschutz und dem NABU Brandenburg, welches wissenschaftlich durch die Uni Greifswald begleitet wird, zur Wiederansiedlung des selten gewordenen Vogels. Dieses Projekt soll langfristig als Trittstein zu einem nur wenige Kilometer entfernten polnischen Brutgebiet wirken. Unter Seggenrohrsängern gibt es keine Paarbildung, die Geschlechter begegnen sich ausschließlich während der Kopulation. Nach dem Motto “jeder mit jedem“ paaren sich die Männchen und Weibchen mit einer großen Anzahl an Partnern, sodass in manchen Nestern der Nachwuchs von gleich fünf verschiedenen Vätern sitzt. Dieses Brutverhalten ist unter europäischen Singvögeln einzigartig. Anders als bei den anderen Rohrsängerarten, obliegt es alleine dem Weibchen, sich um den Nestbau, die Bebrütung des Geleges und Fütterung der Jungen zu kümmern.

Seggenrohrsänger können durchaus zwei Bruten im Jahr aufziehen. Der Seggenrohrsänger ist nah mit dem sehr ähnlichen und häufigeren Schilfrohrsänger verwandt. Von diesem unterscheidet er sich aber durch den deutlichen hellen Streifen auf Scheitel und Rücken sowie dem fein längsgefleckten rostroten Bürzel und an den kürzeren, variantenreicheren Strophen seines Gesangs. Sein Verbreitungsgebiet liegt aktuell zwischen 50° und 60° Nord und verteilt sich inselartig. Es konzentriert sich heute auf den Osten Polens, den Westteil von Belarus sowie den Nordwesten der Ukraine. Dabei entfallen auf Belarus die weltweit größten Vorkommen. Brut-nachweise gibt es außerdem noch in Litauen, Russland und Ungarn. Ein isoliertes Vorkommen in Sibirien konnte am mehr als 4.000 Kilometer entfernten Fluss Ob nachgewiesen werden. Die Art brütet nur noch in etwa 50 Gebieten in sieben Ländern. Die gesamte Brutfläche ist so klein wie die Fläche der Insel Rügen. Die Gesamtzahl der singenden Männchen in Europa wird auf 10.500 bis 14.000 geschätzt. Das ist für eine Kleinvogelart ein besorgniserregend niedriger Bestand. Seggenrohrsänger überwintern in der westafrikanischen Sahelzone und ziehen in ihr Überwinter-ungsgebiet durch Westeuropa. Einzelne Durchzügler können deshalb mit etwas Glück auch noch in Brandenburg beobachtet werden. Die Männchen singen ab Ankunft im Brutgebiet, d.h. von Ende April / Anfang Mai bis in den Juli. Seine Nahrung besteht in erster Linie aus Insekten, Spinnen, Krebstierschen, Hundertfüßer sowie Schnecken.

Klaus Rost 

Print Friendly, PDF & Email

Weitere interessante Beiträge

blank

Kaum Eichelhäher in sächsischen Gärten gesichtet

Endergebnis der 13. „Stunde der Wintervögel“ zeigt insgesamt weniger Futterhausbesucher Weniger Vögel am Futterhaus: Das Endergebnis der traditionellen Mitmachaktion von NABU und seinem bayerischen Partner, dem LBV (Landesbund für Vogel-…
blank

Die Waldohreule – Die Mäusejägerin

Die Waldohreule ist nach dem Waldkauz die häufigste Eule Mitteleuropas. Durch ihre unauffälligen Balzaktivitäten wird ihr Bestand manchenorts unterschätzt. Die Waldohreule ist mit 36 cm etwas kleiner und schlanker als…
blank

Fünf Storchenfünflinge in Sachsen geschlüpft

Rettungsaktionen und günstige Witterung sorgen für gutes Storchenjahr 2021 Mit mindestens fünf Fünflingsbruten war das Jahr 2021 eines der erfolgreichsten Storchenjahre seit knapp 30 Jahren. In Stehla im Kreis Nordsachsen…
blank

Wiedehopf ist Vogel des Jahres 2022

Fast 143.000 Menschen haben bei der öffentlichen Wahl von NABU und LBV abgestimmt Der Sieger der zweiten öffentlichen Wahl zum Vogel des Jahres vom NABU und seinem bayerischen Partner LBV…