Mitte Mai, auf meinem “Vogelkalender” ist ein bunter Vogel abgebildet, dessen Ausbreitung, um diese Zeit, immer meine Aufmerksamkeit weckt. Höhere Temperaturen sind für die Mehrheit von Pflanzen und Tieren vorteilhaft. Die warmen Sommer der vergangenen Jahre haben etliche Arten nach Deutschland gelockt, die unsere heimische Natur bereichern. Eine davon ist der Bienenfresser (Merops apiaster), ein bunt gefiederter Schönling, der es gern warm und trocken hat.
Doch eigentlich ist er kein wirklicher Neuzugang, sondern ein Rückkehrer. Auf mittelalterlichen Gemälden sind Bienenfresser häufig zu sehen, ebenso Blauracken, Wiedehopfe und andere Arten, die heute im Mittelmeerraum verbreitet sind. Zur Zeit des mittelalterlichen Klimaoptimums war es in Mitteleuropa wärmer als heute. Für das Saaletal in Sachsen-Anhalt ist belegt, dass dort bis ins 17. Jahrhundert hinein Bienenfresser vorkamen. In Deutschland galt er Ende der 1980er Jahre als ausgestorben. Seit 1990 sind sie weder da. Inzwischen nisten dort rd. 550 Brutpaare.
Die Arten der Bienenfresser bewohnen fast alle Erdteile. Sie fehlen nur in Amerika und auf Neuseeland. Der Europäische Bienenfresser (Merops apiaster) bewohnt zur Brutzeit ganz Südeuropa, das Mittelmeergebiet und dringt östlich bis zum Himalaya vor. Er ist ein Zugvogel, der von September bis Mai sein Winterquartier im tropischen und südlichen Afrika hat. Bienenfresser zählen zu den Langstreckenziehern. Somit absolvieren sie zweimal jährlich eine Flugstrecke von mindestens 5000 Kilometern. Die dabei zu überquerenden Wüsten, wie die Sahara, werden dabei möglicherweise im Nonstopflug und überwiegend nachts überquert.
Ihre ausnahmslos aus Insekten bestehende Nahrung hat den Bienenfressern oder Spinten, wie sie auch genannt werden, ihren Namen gegeben. Diese Vögel bevorzugen besonders Bienen, Wespen und Hornissen, die sie meist im Fluge fangen. Um zuerst den Stechapparat unschädlich zu machen, verschlucken die Bienenfresser diese Insekten nicht sofort, sondern schlagen sie mehrfach gegen einen harten Gegenstand. Diese Prozedur lassen sie häufig auch ungefährlichen Beutetieren angedeihen.
Der Bienenfresser ist ein spezialisierter Luftjäger. Er startet zumeist von einer Sitzwarte, wie einem trockenen Ast, einem Zaun oder einer Elektroleitung aus, um ein bereits auf 60 Meter Entfernung erkanntes Insekt während des grazilen, elastischen, nur von wenigen Flügelschlagserien abgelösten Segelfluges mit dem Schnabel zu erbeuten.
Der Name Regenbogenvogel, mit dem die Bienenfresser zuweilen auch bezeichnet werden, nimmt Bezug auf ihr äußerst prachtvoll gefärbtes Gefieder. Die Farben Blau, Braun und Grün herrschen hier vor, meist sind kleinere Bereiche rot oder gelb abgehoben.
Bei einer Größe von 28 cm wiegt der Bienenfresser etwa 60 g. Das mittlere Steuerfederpaar überragt den 10 cm langen Schwanz um 2 bis 3 cm. Diese „Spieße“ fehlen den Jungvögeln. Der abwärts gebogene Schnabel wird bis 4 cm lang. Die Weibchen unterscheiden sich kaum von den Männchen, sie sind etwas kleiner und weniger scharf gezeichnet.
Die Stirn ist weiß, Scheitel, Nacken und Oberrücken rotbraun, Schultern strohgelb, Armschwingen rostbraun, Handschwingen grünlichgrau, Schwanz olivgrün mit verlängerten und zugespitzten Mittelfedern. Kehle und Wangen gelb, von einem schwarzen Strich durch das Auge und gegen die Brust durch ein schwarzes Band begrenzt. Unterseits blaugrün. Der ziemlich lange schlanke und abwärts gebogene Schnabel ist dunkel gefärbt, ebenso die kleinen Füße. Die Iris ist rot. Die Jungvögel haben eine mehr grünliche Oberseite.
Ein sehr häufiger und typischer Flugruf ist ein gedämpftes, klingendes “pürr” oder “rüpp”. Man hört diesen Ruf oft erstaunlich weit und kann daran die Anwesenheit von Bienenfresser schon feststellen, bevor man die sehr unruhigen Vögel zu Gesicht bekommt. Typisch ist auch seine Flugweise mit raschen FIügelschlägen und dazwischen eingeschaltete Gleitflugstrecken, was etwa an Schwalben, insbesondere Mehlschwalben, erinnert.
Mit Ausnahme weniger waldbewohnenden Arten – wie etwa der Nachtspinte Südasiens (Gattung Nyctyornis) – leben die Bienenfresser vorzugsweise in offenen, nur licht mit Bäumen und Büschen bestandenen Landschaften. Hier trifft man sie in der Nähe von Gewässern an, in deren Uferböschungen sie gerne ihre Brutrohren graben. Besiedelt werden fast ausschließlich von Menschen geschaffene Biotope, die den wenigen natürlichen Brutplätzen an Saale- und Muldeufer sowie an Wandabbrüchen in Erosionsrinnen sehr ähneln.
Die meisten Bienenfresser-Kolonien befinden sich deshalb in alten Kiesgruben und ehemaligen Tagebauflächen, aber auch in Kiesgruben, die noch in Betrieb sind. Südexponierte Steilwände, in Höhen zwischen etwa einem halben Meter oder kurz bis zu 20 m über dem Fuß der Wand, in sandig-trockenen Löss- oder weichen Sandsteinboden, in denen die Niströhren mit im Schnitt 1,20 m Länge und der anschließenden Nestkammer von 25 x 15 x 12 cm von beiden Partnern gegraben werden, werden dabei bevorzugt. Für den Nestbau werden 2 bis 3 Wochen benötigt und dabei ca. 5 bis 6 Kilo Erdmaterial nach draußen bewegt.
Beide Eltern bebrüten die in dieser unterirdischen Nisthohle abgelegten 5 bis 8 fast kugelrunden porzellanweiß-glänzenden Eier etwa 3 Wochen lang. Die Eier werden auf dem bloßen Untergrund abgelegt, doch häufig sammeln sich sehr viele Chitinteile aus der Insektenbeute als Unterlage an. Die Legeperiode liegt von Mai bis Ende Juni. Infolge der geringen Aufenthaltsdauer im Brutgebiet erfolgt nur eine Jahresbrut. Die anfangs nackten und blinden Jungen werden bis zum Flüggewerden im Alter von 30 Tagen und auch noch danach von beiden Altvögeln gefüttert, bis sie selbstständig ihrer Beute nachjagen können. Neben den eingangs bereits erwähnten Ansiedlungen in Sachsen-Anhalt, gibt es auch verschiedene kleinere Kolonien, die sich vor allem in Süddeutschland etabliert haben. Am Kaiserstuhl sollen die Weinberge nördlich von Oberbergen oder der Naturlehrpfad in Oberbergen gut für die Art sein.
In Deutschland zählt der Bienenfresser zu den gefährdeten Tierarten. Eine Erfassung der Brutpaare (Bp) aus dem Jahr 2012 ergab rd. 1.150 Bp. Dabei konzentrierten sich 85 % des Bestandes auf die Bundesländer Sachsen-Anhalt mit 501 bis 520 Bp, auf Baden-Württemberg 369 Bp und Rheinland-Pfalz 109 Bp. Weiterhin brütet er regelmäßig in Sachsen 70 Bp, Bayern 50 bis 70 Bp, Nordrhein-Westfalen 1~25 Bp, Thüringen ca. 10 Bp und Niedersachsen ca. 5 Bp.
Fehlende Brutplätze und massive Störungen während der Brut bereiten dem Bienenfresser große Probleme. Naturnahe Lösswände und Abbruchkanten zu erhalten und Kiesgruben für den Naturschutz zu bewahren, helfen ihm, dauerhaft Fuß zu fassen. Landwirtschaftliche Flächen extensiv zu bewirtschaften fordert artenreiche Wiesen- und Weidegebiete mit großem Insektenreichtum, auf die der Bienenfresser angewiesen ist. Hier zeigen sich erste Erfolge am Oberrhein: Zwischen die Rebenstocke wird Grünsaat ausgebracht und so die Insektenwelt gefördert. Das dadurch verbesserte Nahrungsangebot erlaubt es dem farbenfrohen Bienenfresser, sich hier erfolgreich fortzupflanzen.
Auch Bienenfresser haben Feinde. Nicht nur der Mensch, sondern auch der Wanderfalke, der Sperber, das Wiesel, der Fuchs, Ratten und Wildschweine gehören zu ihren Feinden. Wiesel, Ratten, Fuchs und Wildschweine buddeln die Eier und Jungvogel aus, wenn sie an die Brutröhren herankommen.
Eine ganz andere Gefahr für die attraktiven Vögel geht direkt vom Menschen aus: Insbesondere im Mittelmeerraum wird der Bienenfresser noch immer gejagt. Das bisherige Höchstalter eines sachsen-anhaltischen Bienenfressers (beringt) betrug sieben Jahre.
Klaus Rost