In diesem Monat möchte ich auf eine Pflanze hinweisen, die früher auf allen Kontinenten ein weit verbreitetes Getreideunkraut war, seit 1996 auf der Roten Liste steht und vom Aussterben bedroht ist. Es handelt sich um die Gewöhnliche Kornrade (Agrostemma githago), die auch unter den Namen Ackerrade, Höllenkorn, Klockeblume, Kornrose oder Pisspöttken bekannt ist. Die Kornrade gehört zu den Nelkengewächsen.
Es ist eine einjährige Pflanze mit einer spindelförmigen Pfahlwurzel. Der Stängel ist aufrecht, im oberen Bereich werden Seitentriebe ausgebildet. Die Laubblätter stehen gegenständig. Die Höhe der Pflanze beträgt 60- 90 cm. Die zwittrigen Blüten erscheinen von Juni bis August. Es werden Samen gebildet, die gleichzeitig mit dem Getreide reifen und von diesem schwer zu trennen sind. Die Kornrade ist ein Therophyt, d.h., die Pflanze hat sich widrigen Lebensumständen angepasst und die Samen könnenHitze und Trockenheit tolerieren.
Die ursprüngliche Heimat der Pflanze ist der Mittelmeerraum und die gemäßigten Zonen Asiens und Nordafrikas. Sie liebt mäßig alkalische und stickstoff- salzhaltige trockene Böden. Früher war sie oft auf Brachen, Ödflächen und Getreidefeldern zu finden. Die Ausbreitung erfolgt durch Saatgut. So war in der Vergangenheit das Getreide oft mit Samen der Kornrade verunreinigt. Durch moderne Saatgutreinigung ist jedoch die Ausbreitungskette unterbrochen, die Getreidefelder sind frei von Kornrade.
Die Kornrade ist giftig! Über verunreinigtes Saatgut kam es durch den Verzehr von Getreideprodukten zu Übelkeit und Todesfällen.
Hauptinhaltsstoffe in der Kornrade sind Saponine, wie Githagin und von ihm eine organisch- chemische Verbindung, das Aglycongithagenin, Agrostemmasäure, Bitterstoffe und Gerbstoffe.
In der Volksheilkunde wurde die Droge (Blätter und Samen) bei Hautunreinheiten, Gastritis, Husten, gegen Würmer und zur Entwässerung eingesetzt. Die Wirksamkeit ist jedoch wissenschaftlich nicht belegt. Äußerlich soll das frische, zerkleinerte Kraut vor Mund und Nase gehalten werden. Wird hindurch geatmet, hilft es so gegen Husten und Schnupfen.
Umschläge mit frischem Kraut wirken blutstillend. Auszüge aus den frischen Blättern werden bei Akne und Hautkrankheiten empfohlen.
Die reifen und getrockneten Samen sind in der Homöopathie ein Mittel gegen Magenschleimhautentzündung.
Die Kornrade war die Pflanze des Jahres 2003. In geschützten Bereichen, wie Wildpflanzenmischungen, wird sie wegen ihrer Schönheit wieder als Saatgut angeboten. So findet sie erneut Eingang als Zierpflanze in die Gärten.
Interessant ist, dass jugoslawische Wissenschaftler nachwiesen, dass die Ausscheidungen der Kornrade den Weizen zu erhöhter Eiweißproduktion anregen.
Der Volksglauben sagt, dass gebundene Kränze aus Kornrade um Bäume gelegt werden, damit das Obst nicht unreif vom Baum fällt. Auch können böse Absichten der Menschen erkannt werden, wenn man sich den Kornraden rückwärts nähert, diese rückwärts erntet, einen Kranz aus ihnen flicht und um den Kopf legt.
So erklärt sich auch die botanische Bezeichnung: Agrostemma githago: kommt aus dem Griechischen – agros bedeutet Feld, stemma binden, Kranz, gith ist der Name des Schwarzkümmels und aga- Ähnlichkeit mit. Der Same hat Ähnlichkeit mit den Samen des Schwarzkümmels und die gesamte Pflanze wurde zum Winden von Kränzen genutzt.
Dr. Hannelore Pohl