§ Sie fragen – wir antworten
Nicht selten können durch den Vorstand dem Vereinsmitglied/Kleingartenpächter Einladungen zur Mitgliederversammlung, Jahresrechnungen, Mahnungen, Abmahnungen, Kündigungen oder andere Schriftstücke nicht zugestellt werden, weil die ihm vorliegende Wohnanschrift nicht zutreffend ist. Auch andere Versuche der Kontaktaufnahme scheiterten. Das alles löst für den Vorstand eine Vielzahl zeitaufwendiger Aktivitäten aus, die unter bestimmten Umständen, vor allem bei ergebnislosen Recherchen (wie beim Einwohnermeldeamt) Rechtsbeistand und die Inanspruchnahme eines Gerichts erfordern.
Diese Aktivitäten führen teils zu hohen finanziellen Belastungen für den Kleingärtnerverein (KGV). Kosten die „zunächst“ von den Mitgliedern zu tragen sind. Welche Rechtslage besteht für jedes Vereinsmitglied und für jeden Kleingartenpächter, welche rechtlichen Möglichkeiten hat der KGV, diesen Umstand nicht einfach nur als gegeben hinzunehmen?
Mit ihren Beschlüssen zur Mustersatzung (§ 3), zu dem zur Anwendung kommenden Kleingartenpachtvertragsformular (§ 1) und zur Kleingartenordnung (Ziffer 2.2.5) haben die im Stadtverband Leipzig der Kleingärtner e.V. (SLK) organisierten KGV für sich selbst und für jedes Vereinsmitglied und für jeden Kleingartenpächter eine klare Rechts-/Vertragslage geschaffen und diese als Vertragsbedingung ausgestaltet.
Mitglied im KGV kann nur werden und ein Kleingartenpachtverhältnis mit dem KGV wird nur mit Personen begründet, die einen festen Wohnsitz (im Sinne § 7 BGB) nachweisen. Der Kleingartenpächter und andere Personen dürfen den Kleingarten nicht als Wohnsitz, Zweitwohnsitz, Postanschrift oder dergleichen benutzen.
Jede Veränderung der Wohnanschrift ist dem Vorstand schriftlich innerhalb von zwei Wochen nach der Veränderung anzuzeigen. Gleichzeitig besteht für das Vereinsmitglied / den Kleingartenpächter die Pflicht, wenn er über einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen nicht erreichbar ist, diesen Umstand den Vorstand rechtzeitig schriftlich mitzuteilen.
Der geforderte Nachweis über einen festen Wohnsitz wird durch Vorlage des Personalausweises, aus dem die Wohnanschrift (Wohnadresse) hervorgeht, erbracht. Sie ist zugleich die Postanschrift des Betreffenden.
Kommt das Vereinsmitglied / der Kleingartenpächter diesen vom ihm freiwillig übernommenen Pflichten nicht nach, dann begeht er – in Abhängigkeit von der Bedeutung des Schriftstückes zur Wahrung der Vereinsinteressen und den mit der Nichtzustellbarkeit für den KGV ausgelösten negativen Wirkungen – eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung. Diese können für ihn zu negativen Rechtsfolgen führen. Das vor allem dann, wenn er der irrigen Annahme ist, auf diese Weise – letztlich vorsätzlichem Handeln – sich seiner Verantwortung (z.B. zur Begleichung finanzieller Forderungen oder der ordnungsgemäßen Beräumung und Rückgabe der Pachtsache) zu entziehen.
In derartigen Fällen kann zugleich ein Verstoß gegen das Bundesmeldegesetz (BMG) vorliegen, welcher zur Ahndung als Ordnungswidrigkeit mit einer nicht unerheblichen Geldbuße führen kann.
Können Schriftstücke, die letztlich für die Entscheidung über die Aufrechterhaltung von Mitgliedschaft und Kleingartenpachtverhältnis von besonderer Bedeutung sind oder eine seitens des KGV bereits getroffene Entscheidung beinhalten (wie Rechnungen, Mahnungen, Abmahnungen, Beschlüsse über den Ausschluss als Vereinsmitglied, Kündigung des Kleingartenpachtverhältnisses) nicht zugestellt werden, dann sollte der KGV sich für einen Antrag auf öffentliche Zustellung nach §§ 185 f ZPO entscheiden. D.h., auf eine öffentliche Bekanntmachung durch Aushang an der Gerichtstafel, ggf. zusätzlich durch die Veröffentlichung der Benachrichtigung einmal oder mehrfach im Bundesanzeiger oder in anderen Blättern.
Der Antrag auf eine öffentliche Zustellung hat bei dem für den (früheren) Wohnsitz zuständigen Amtsgericht zu erfolgen. Er ist zu verbinden mit dem Nachweis, dass der KGV alles ihm Zumutbare unternommen hat, den Aufenthaltsort festzustellen (wie erfolglose Kontaktaufnahme zum Einwohnermeldeamt; ggf. erfolgte Rücksprache bei den Nachbarn im ehemaligen Mietobjekt und bei den Gartennachbarn oder – wenn bekannt – beim letzten Arbeitgeber.
In bestimmten Fällen – so bei der Kündigung des Kleingartenpachtverhältnisses – sollte sich der Antrag nicht nur auf die öffentliche Zustellung des Kündigungsschreibens beschränken, sondern zugleich die öffentliche Zustellung von Klage auf Räumung und Herausgabe der Pachtsache sowie auf die Begleichung offener finanzieller Forderungen, auf ggf. bestehende Schadensersatzforderungen, Tragung der Prozesskosten, Ladung zur Gerichtsverhandlung und des ergangenen Urteils erstrecken.
Unabhängig von dieser rechtlichen Möglichkeit sollte der KGV prüfen, ob seine Vereinsordnungen, Beschlüsse der Mitgliederversammlung und Vertragsformulare eine ausreichende rechtliche Grundlage dafür bilden, jedem Vereinsmitglied und jedem Kleingartenpächter im Falle der Verursachung von Mehrkosten für den KGV – so z.B. durch die Einholung von Melderegisterauskünften – diese ihm in Rechnung zu stellen.
In bestimmten Fällen (wie Zahlungsverweigerung, einer „Hinhaltepolitik“) oder bei berechtigten Schadensersatzforderungen sollte der KGV seine Forderungen auf dem Wege der Zivillage durchsetzen.
Zögerlichkeiten, längere Zeitabläufe zwischen Vertragsverletzung und Reaktion des KGV erschweren nicht selten das angestrebte Ergebnis oder führen nicht zu dem gewünschten Ergebnis. Das kann auch dazu führen, dass z.B. an und für sich berechtigte Ansprüche des KGV gegenüber dem ehemaligen Pächter nach/trotz Rücknahme der Pachtsache bereits verjährt sind (§ 548 i.V. mit § 581 Abs.2 BGB).
Dr. jur. habil. Wolfgang Rößger