Aus der Vogelwelt: Kiebitz

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Wenn ich heute den Kiebitz vorstelle, dann geht es nicht um das Skatspiel, wo er häufig anzutreffen ist, sondern um den zur Vogelfamilie der Regenpfeifer gehörenden Vogel Kiebitz (Vanellus vanellus). Auch bei den Bauernregeln wird er oft zitiert: „Kiebitz tief und Schwalbe hoch, bleibt trocken das Wetter noch“.

Der Kiebitz ist mit einer Länge von 28 bis 32 cm ein etwa taubengroßer, kontrastreich schwarz-weiß gefärbter Watvogel mit einem Gewicht zwischen 180 und 280 Gramm mit anderen Arten kaum zu verwechseln. Kennzeichnend ist die lange dunkle Haube auf dem Kopf (Federholle). Im Brutkleid schimmert die dunkle Oberseite metallisch grün und violett, der Bauch ist weiß mit scharf abgegrenztem schwarzem Brustband.

Im Flug mit lockeren, eher langsamen Flügelschlägen fallen die breit gerundeten Flügelenden und die kontrastreichen Flügelunterseiten auf, die innen weiß und außen schwarz sind. Der Schwanz trägt eine breite dunkle Endbinde. Die Kopfseiten sind weiß mit dunkler Zeichnung um das Auge bzw. an der Schnabelwurzel. Das Männchen hat zur Brutzeit eine längere Federholle, eine intensivere Schwarzfärbung sowie eine völlig schwarze Kehle. Das Weibchen hat einen weißen Kehlfleck, der bei beiden Geschlechtern im Schlichtkleid noch deutlicher ist. Zudem sind außerhalb der Brutzeit die Alt- und die Jungvögel deutlich matter gefärbt. Zur Frühjahresbalz zeigen die Paare unverwechselbare akrobatische Flugspiele mit den typischen „chiu-witt“-Rufen.

Der Kiebitz ist ein Brutvogel flacher, weithin offener, gehölzarmer und wenig strukturierter Landschaften mit lückiger oder kurzer Vegetation. Er besiedelt meist feuchte oder zeitweilig überstaute Standorte, aber auch trockene Standorte, die dann aber oft in der Nähe von Feuchtstellen liegen. Bruthabitate sind vor allem Äcker (besonders Nassstellen), Überschwemmungsflächen, kurzrasige Grünländer, Salzwiesen, Schlammflächen und kurzrasige lückige Ruderalfluren.

Das Bodennest befindet sich oft an einer geringfügig erhöhten, kahlen bis spärlich bewachsenen, trockenen Stelle. Das Männchen ist allein für den Bau des Nestes verantwortlich, indem es in einer offenen Ebene ohne starken Strauch- oder Baumwuchs am Boden eine Mulde anlegt. Die Nestmulde ist mit trockenem Material ausgelegt. Das Weibchen brütet darin im März zwischen drei und vier olivgrüne Eier aus, die mit schwarzen Flecken übersät und dadurch perfekt getarnt sind. Die Brutzeit beträgt maximal 28 Tage. Unmittelbar nach dem Schlüpfen verlassen die erdfarbenen Küken das Nest, halten sich jedoch in den ersten Lebenswochen in unmittelbarer Nähe der Eltern auf, die sie mit Futter versorgen.

Während das Weibchen für die Fütterung verantwortlich ist, hält das Männchen Wache. Ertönt ein Warnruf der Eltern, ducken sich die Küken flach auf den Boden, wodurch sie perfekt getarnt sind. Erst bei Entwarnung beginnen sie wieder, sich zu bewegen. Junge Kiebitze sind im Alter von etwa vierzig Tagen flugfähig. Als Nahrung dienen meist kleine Bodentiere, insbesondere Insekten und deren Larven, weiterhin Regenwürmer. Kiebitze klopfen, auf der Futtersuche, mit den Füßen auf den Boden. Dadurch kommen Würmer und Käfer an die Oberfläche die sie aufpicken. Zumindest zeitweise wird auch ein größerer Anteil pflanzlicher Nahrung (Samen und Früchte von Wiesenpflanzen) genutzt.

In Deutschland ist der Kiebitz vor allem im Norddeutschen Tiefland und im Alpenvorland verbreitet, der Vorkommensschwerpunkt liegt im Nordwestdeutschen Tiefland (vom Niederrheinischen Tiefland bis zur schleswig-holsteinischen Westküste). Deutlich seltener, aber noch verbreitet, ist die Art im Nordostdeutschen Tiefland.

Der Kiebitz war früher auch in Sachsen ein relativ häufiger Brutvogel. Von den ehemals nahezu flächendeckenden Vorkommen sind heute nur noch Verbreitungsinseln übrig. Zu nennen sind insbesondere: Bergbau- und Teichgebiete des Lausitzer Tieflandes, Raum Zittau, Offenland der Moritzburger Kleinkuppenlandschaft und des Rödertales sowie des Elbtales bei Torgau, Bergbau- und Agrargebiete bei Delitzsch und südlich Leipzig sowie Raum im Crimmitschau-Werdau.

Der Brutbestand in Sachsen hat sich lt. Brutvogelkartierung wie folgt entwickelt: Waren es im Zeitraum 1978-1982 noch 1800 bis 4000 Brutpaaren (BP), ergab die Zählung für die Jahre 1993-1996 nur noch 900 bis 1600 BP, reduzierte sich der Bestand 2004-2007 auf 400 bis 800 BP. Mit 400 bis 800 BP gilt er nach der Roten Liste Sachsens seit 2013 als vom Aussterben bedroht, zumal die Tendenz seit Jahren nach unten weist. In Deutschland wird der Bestand auf 68.000 bis 83.000 Brutpaare geschätzt. Nach der Roten Liste Deutschlands gilt der Kiebitz als stark gefährdet.

Der Kiebitz gehört zu den Arten mit den stärksten Bestandsrückgängen. Ehemals war er eine Charakterart feuchter bis nasser Wiesen und Weiden. Durch Entwässerungen wurden bereits in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts viele dieser Lebensräume zerstört. Da sich die negativen Veränderungen im Grünland in den nachfolgenden Jahrzehnten fortsetzten, ging die Art zunehmend dazu über, auf Äckern zu brüten. Hier ist der Fortpflanzungserfolg allerdings gering. Die Gelegeverluste sind allgemein sehr hoch.

Kiebitze sind in Europa besonders durch den Einsatz von Insektiziden und der großflächigen Vernichtung ihrer Nahrung bedroht. Die Sterblichkeit im ersten Lebensjahr beträgt in Europa bis zu 40 %. Da Kiebitze Bodenbrüter im Grasland sind, werden ihre Nester auch gerne durch das weidende Vieh zertrampelt oder durch Landwirtschaftsmaschinen zerstört.

Die Feinde lauern überall, in der Luft und auf dem Boden. Andere Feinde sind die Infektionskrankheiten, die Parasiten, der Fuchs, das Hermelin, die Rohrweihe, die Greifvögel, die Rabenvögel und die Möwen. Darüber hinaus liegen Verlustursachen in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten, z.B. die Jagd auf den Kiebitz in Südwesteuropa. Der älteste Kiebitz wurde nach Ringfunden 18 Jahre alt.

Zum Schutz werden in Sachsen im Rahmen des Bodenbrüterprojektes für den Kiebitz sogenannte „Kiebitzinseln“ angelegt. Auf einer Fläche von 0,5 bis 2,5 ha verzichtet der Landwirt z.B. auf die Aussaat, um dem Kiebitz hier wieder eine Heimat zu geben. Für den Ertragsausfall und den Mehraufwand erhalten die beteiligten Unternehmen eine Vergütung.

Schon Ende Mai/Juni, lange bevor sich bei anderen Vogelarten Zugerscheinungen bemerkbar machen, fliegen Kiebitze auf die Wanderschaft. Dieser Frühwegzug führt zunächst meist nur über geringe Strecken, aber doch schon oft etwas in Richtung des späteren Winterquartiers. So kann man mitten im Sommer bereits wandernde Kiebitzschwärme sehen. Als Kurzstreckenzieher überwintert unser Kiebitz in West- und Südwesteuropa sowie in Nordafrika. Bisweilen treffen wir ihn in milden Wintern auch in Mitteleuropa an, es handelt sich bei diesen Vögeln wahrscheinlich um Wintergäste aus Nord- bzw. Osteuropa.

Klaus Rost 

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