Aus der Vogelwelt: Kranich

Bild von Heidelbergerin auf Pixabay
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Der Herbst ist die Zeit des Vogelzuges. Größere Vogelschwärme, die in schräger oder keilförmiger Flugordnung (an eine EINS erinnernd) und mit schmetterndem trompetenartigen Geschrei über uns hinziehen, erwecken unsere Aufmerksamkeit. Sie kommen aus ihrer nördlichen Brutheimat, Skandinavien, dem Baltikum sowie dem nördlichen Russland und überqueren dabei Deutschland. Diese eindrucksvollste Vogelart, der wir in unserer Heimat begegnen können, ist zweifellos der 120 bis 130 cm große Kranich (Grus grus).

In seiner Gestalt erinnert der Kranich an einen Storch oder Reiher, jedoch ist der Weißstorch durch seine Schwarzweißfärbung hinreichend gekennzeichnet, der Graureiher ist kleiner und fliegt mit S-förmig gekrümmten Hals, der Kranich hingegen stets mit ausgestrecktem Hals. Beide Geschlechter sind schiefergrau, nur der Kopf und Hals sind schwarz und weiß gezeichnet, und außerdem befindet sich auf dem Hinterkopf eine auffallende federlose rote Stelle, die bei Erregung deutlich sichtbar wird. Das Männchen (Hahn) ist im Mittel etwas größer und kräftiger als das Weibchen (Henne) und erreicht ein Gewicht von 5 bis 7 kg, während das Weibchen knapp 5 bis 6 kg wiegt.

Der schönste Schmuck des Kranichs ist seine „Schleppe“. Diese über den kurzen Schwanz herabhängenden Federn sind die verlängerten inneren Armschwingen sowie Schulterfedern der Flügel, die im Erregungszustand und während der Balz buschig aufgestellt werden. Der Vogel erscheint dann noch größer und eindrucksvoller. Er schreitet majestätisch auf langen „Stelzbeinen“ und ruft mit weithin vernehmbaren Trompetentönen. Die Beine sind so lang, dass sie den Schwanz beim Fliegen deutlich überragen. Seine Flügelspannweite kann bis zu 2,45 Meter betragen. Wegen seiner grauen Körperfärbung wird er auch als Graukranich bzw. Grauer Kranich bezeichnet.

Vor ihrem Weiterflug nach Süden fressen sich die “Vögel des Glücks” auf abgeernteten Mais- und Getreidefeldern Energiereserven für ihren langen Weiterflug an. Ein faszinierendes Naturschauspiel ist der allabendliche Einflug der Kraniche von der Futtersuche zu den Schlafplätzen. Dann sind manchmal Hunderte Vögel im Flug zu sehen, ihre durchdringenden Rufe weithin zu hören. Als Sammel- und Rastplätze in Sachsen, von denen mehrere auch als Schlafplätze dienen, sind insbesondere zu nennen: Wildenhainer und Zadlitz-Bruch / Dübener Heide, die Gebiete Dubringer Moor, Dauban-Förstgen und Niederspree.

Wenn die Kraniche auf dem Vogelzug sind, sieht man sie in fast ganz Deutschland. Sie haben in einigen Bundesländern feste Rast- und Ruheplätze. Die größten Rastplätze der Kraniche in Deutschland befinden sich in Brandenburg an den Linumer Fischteichen und in Mecklenburg-Vorpommern am Günzer See. Dort halten sich zur Vogelzugzeit über 70.000 Kraniche auf. Auf ihrem Zug machen sie Jahr für Jahr an den gleichen Rastplätzen Pause. Dort bleiben sie manchmal zwei oder drei Wochen, um sich auszuruhen und ausgiebig zu fressen.

Als Bruthabitat bevorzugt der Kranich feuchte bis nasse Niederungsgebiete wie Bruchwälder, Verlandungszonen von Gewässern, Moore und Feuchtwiesen. Er besiedelt auch zunehmend die offene Agrarlandschaft, wenn zumindest kleinere Feuchtgebiete in der Nähe vorhanden sind. In Sachsen trifft das insbesondere im Oberlausitzer Heide- und Teichgebiet und in den Königsbrück-Ruhlander Heiden, ferner in der Muskauer Heide, in der Düben-Dahlener Heide und im Riesa-Torgauer Elbtal zu. Daneben einzelne Ansiedlungen im Oberlausitzer Gefilde, in der östlichen Oberlausitz, in der Großenhainer Pflege und im Nordsächsischen Platten- und Hügelland sowie seit 2007 sogar in der Bergbaufolgelandschaft südlich Leipzigs.

In lichten Sumpfwaldungen größerer Sumpfgebiete und inmitten des dichtverwachsenen Röhrichts, in Erlenbrüchen und feuchten Wiesen wird der Neststandort ausgewählt. Der Neststand selbst ist meist an unzugänglichen Stellen von knietiefem Wasser umgeben. Es ist ein großer, flacher Bau aus alten Schilfhalmen (kein Reißig!), darauf Riedgras, Moos, Schilf und Grasbüschel und wird von beiden Partnern errichtet. Das Weibchen legt im April oder Mai in der Regel zwei olivgrüne mit braunen und mattgrauen Flecken versehenen Eier, die abwechselnd mit dem Männchen 28 bis 31 Tage bebrütet werden. 

Kraniche sind Nestflüchter. Schon nach wenigen Tagen unternehmen die Kranichküken mit ihren Eltern Wanderungen auf der Suche nach Nahrung. Erst nach zehn Wochen können die jungen Kraniche fliegen. Die Kranich-Familie bleibt auch auf dem Zug in die Überwinterungsgebiete zusammen. So profitieren die Jungen von den Erfahrungen ihrer Eltern. Sie übernehmen die Zugroute der Altvögel und lernen, wo es sichere Rast- und Überwinterungsgebiete gibt. Während der Aufzucht fallen den Altvögeln gleichzeitig alle Schwingen aus, so dass sie für einen Monat flugunfähig sind. Auch wenn die Jungen erwachsen sind, bleibt die Familie zusammen. Später schließen sich die Vögel mit anderen Familien zu Schwärmen zusammen.

Kraniche werden frühestens im 3. Lebensjahr geschlechtsreif. Die Kranichpaare finden sich wahrscheinlich 1 bis 2 Jahre vor der eigentlichen Fortpflanzung in den Junggesellen- bzw. Übersommerertrupps. Mit gelegentlichen Ausnahmen bleiben sie ihrem Partner lebenslang treu.

Kraniche sind Allesfresser. Ihre sehr vielseitige Nahrungspalette reicht von Kleinsäugern, Reptilien, kleinen Fischen, Fröschen, Schnecken, Würmern, Insekten und deren Larven über Mais- und Getreidekörner, Sonnenblumenkerne, Erbsen und Bohnen bis hin zu Erdnüssen, Oliven, Beeren, Eicheln, Gemüsearten, Kartoffeln und verschiedensten Pflanzenteilen. In den südspanischen Winterquartieren bereichern die Früchte der Kork- und Steineichen den Speisezettel. Im Winterhalbjahr beträgt der tägliche Nahrungsbedarf eines Kranichs etwa 200 g und während der Zugzeiten etwa 300 g Getreide.

Kraniche sind majestätische Vögel und haben Menschen schon seit Jahrtausenden fasziniert. Sie haben eine große Symbolkraft: In China verheißen sie langes Leben und Weisheit, in Schweden werden sie “Vogel des Glücks” genannt, weil mit ihnen im Frühjahr Sonne und Wärme zurückkommen. Auch in Japan gilt der Kranich als Glücksvogel und im alten Ägypten wurden sie als “Sonnenvogel” verehrt und den Göttern geopfert.

Erwachsene Kraniche haben kaum Feinde. Den Jungen und dem Gelege können aber Fuchs, Wildschwein, Kolkrabe, Aaskrähe und Rohrweihe gefährlich werden. Die größte Gefahr geht jedoch vom Menschen aus, der die natürlichen Lebensräume der Kraniche durch Trockenlegung und Staugebiete zerstört.

Die Entwicklung des Kranichbestandes in Mitteluropa ist eine Erfolgsgeschichte des Artenschutzes der letzten Jahrzehnte. Wurde der Brutbestand 1969 in der DDR auf nur 370 Paare geschätzt, waren es in Westdeutschland nur noch 12 Brutpaare. Dagegen wurde 2004 für Deutschland ca. 5.600 Brutpaare ausgewiesen. Mit einem Schwerpunkt in Mecklenburg-Vorpommern mit fast geschätzten 3.000 Paaren. Diese Zunahme war nur dank des strengen Schutzes der Brutgebiete und -plätze möglich. In der Artenschutzliste Sachsens wurden 2007 250 Brutpaare verzeichnet.

Klaus Rost

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