§ Sie fragen – wir antworten
Vor wenigen Monaten habe ich mein Kleingartenpachtverhältnis – wie vertraglicht vereinbart – zum 30. November 2022 gekündigt. Nun sind die Gründe hierfür weggefallen. Kann ich die Kündigung widerrufen oder zurücknehmen und das Kleingartenpachtverhält-nis nach dem 30. November fortsetzen?
Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine “ordentliche Kündigung” des zwischen dem Kleingärtnerverein (KGV) als Verpächter von Kleingärten (Kg) und dem Pächter eines Kg auf der Grundlage eines Pachtvertrages beste-henden Kleingartenpachtverhältnisses (KgPV) seitens des Pächters.
Die Kündigung eines KgPV ist aus rechtlicher Sicht eine einseitige Willenserklärung. In und mit ihr bekundet (hier) der Pächter gegenüber dem Ver-pächter seinen Willen, das bestehende KgPV beenden zu wollen. Er ist (im Unterschied zum Verpächter nach § 9 BKleing) für die Rechtswirksamkeit seiner Kündigung nicht an Kündigungsgründe gebunden und hat auch keinen Künd-gungsgrund zu benennen.
In Fällen der Pächtermehrheit hat jeder Pächter, falls er auch das KgPV be-enden will, eine eigene Kündigung gegenüber dem Verpächter vorzunehmen.
Zu beachten ist , dass durch die kündigende Vertragspartei die gesetzlich bestimmten bzw. vertraglich vereinbarten Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Kündigung zu befolgen sind. Für den Verpächter gelten ausnahmslos die im BKleinG enthaltenen Regeln. Auch für den Pächter gilt nach herr-schender Rechtsmeinung der in § 7 BKleingG enthaltene Rechtsgrundsatz: “Die Kündigung des Kleingartenpachtvertrages bedarf der Schriftform.” Einer Schriftform i.S. § 126 BGB. Da im BKleingG oder in den zur Anwendung kom-menden Kleingartenpachtverträgen die Elektronische Form i.S. § 126a BGB . nicht für unzulässig erklärt wird, ist auch diese zulässig.
Abgesehen von nur noch in seltenen Fällen zur Anwendung kommenden De-taiilvereinbarungen in “Altverrträgen” zur ordentlichen Kündigung des KgPV endet dieses nach den nach dem 03.10.1990 (schrittweise) eingeführten Kleingartenpachtverträgen am 30. November des laufenden Jahres bei einer Kündigung bis spätestens am 3. Werktag im August des Jahres.
Bei Beflgung aller Voraussetzungen wird die Kündigung mit ihrem Zugang beim Verpächter rechtswirksam. Der Nachweis des (fristgemäßen) Zugangs der Kündigung obliegt grundsätzlich der kündigenden Vertragspartei.
Es gibt immer wieder Situationen, in denen der Kündigende es bspw. bereut, vorschnell gekündigt zu haben oder diese selbst im Nachhinein als “Trotzre-aktion” einstuft oder – wie im vorliegenden Fall – die Kündigungsgründe nach erfolgter Kündigung des KGPV nicht mehr bestehen.
Von Interesse sind daher immer wieder Fragen zurm Widerruf und der Rücknahme einer ausgesprochenen (fristlosen oder ordentlichen) Kündi-gung. Mit dem Widerruf oder der Rücknahme der Kündigung glaubt der Pächter, das KgPV wieder in den ursprünglichen Vertragszustand zurück-versetzen zu können.
Der erfolgreiche Widerruf einer Willenserklärung – hier einer Kündigung – ist auf Ausnahmefälle beschränkt und richtet sich nach § 130 BGB. Dort heißt es: “Sie wird nicht wirksam, wenn dem anderen vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht.” Denkbar sind Kündigungen, die durch Einwurf in den Briefkasten des Vereins oder durch Postzustellung den Verpächter zugehen.
Auch mit der Rücknahme der Kündigung will der kündigende Vertragspartner das KgPV in die Rechtslage zurückversetzen, in der es sich vor der Kündigung befunden hat. Dies in dem Glauben, damit die Rechtswirksamkeit der Kündigung aufzuheben. Das ist aber nicht der Fall.
Der nicht wirksame Widerruf oder die mündlich oder schriftliche Rücknahme
einer vorgenommenen Kündigung des KgPV ist aus rechtlicher Sicht als ein Angebot an den Verpächter zu werten, das KgPV unter den ursprünglichen oder nunmehr geltenden Vertragsinhalten fortsetzen bzw. neu begründen zu wollen. Die Entscheidung hinsichtlich der weiteren Rechtsbeziehungen zwi-schen dem Verpächter und dem Pächter, der eine rechtswirksame Kündigung ausgesprochen hat, liegt ausschließlich beim Verpächter.
Nur dann, wenn z.B. kein schriftlicher Kleingartenpachtvertrag abgeschlossen wurde bzw. bicht mehr auffindbar ist oder es an dessen Rechtswirksamkeit mangelt, jedoch rechtlich vertretbar von einem bestehenden KleingPV auszu-gehen ist, oder der vorliegende Vertrag keine Regelungen zur “ordentlichen Kündigung° enthält, gelten die diesbezüglich anzuwendenden Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 1 BKleingG.
Es finden demzufolge die Regelungen in den Paragraphen 581 ff. BGB Anwendung.
Fazit: Aus dem Umstand, dass bei einer ordentlichen Kündigung erst nach Ablauf einer Kündigungsfrist das Kleingartenpachtverhältnis endet, kann nicht geschlussfolgert werden, dass bis zu deren Ablauf die Kündigung widerrufen bzw. zurückgenommen werden kann und der Verpächter diese einseitige Willensbekundung zu respektieren hat.
Es ist jenen Rechtspositionen zu folgen, wonach bei einer Rücknahme bzw. einem Widerruf der ordentlichen Kündigung während der laufenden Kündi-gungsfrist und der Bereitschaft des Verpächters mit dieser(n) Person(en) das Kleingartenpachtverhältnis fortzusetzen, vom Abschluss eines „neuen“ Klein-gartenpachtvertrages abgesehen werden und an dessen Stelle ein entspre-chender Zusatzvermerk im vorliegenden Kleingartenpachtvertrag vorgenom-men werden kann oder dem Kleingartenpachtvertrag eine diesbezügliche Vereinbarung beigefügt wird.
Um eventuell Risiken bei späteren Rechtskonflikten und Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen, sollten klare Aussagen über den Willen beider Vertragsparteien dokumentiert und rechtswirksam handschriftlich unterzeichnet werden.
Dr. Wolfgang Rößger