Bauen mit Stroh und Lehm – ein Erfahrungsbericht

"Wir sind froh über das Ergebnis und können die Bauweise allen ans Herz legen, die Zeit und Neugier und Helfer mitbringen – alles andere lernt man auf dem Weg." Foto: Adrian Bürkner
"Wir sind froh über das Ergebnis und können die Bauweise allen ans Herz legen, die Zeit und Neugier und Helfer mitbringen – alles andere lernt man auf dem Weg." Foto: Adrian Bürkner

Im KGV Abendsonne ist eine Gartenlaube nach Strohballen-Bauweise entstanden.

Im modernen Hausbau liegt die Wiederentdeckung von alten Baumaterialien im Trend: Viele Baustoffe wie Beton oder Zement sind unwirtschaftlich geworden. Weite Anfahrtswege von z.B. Bausand aus aller Welt und extrem hohe Temperaturen bei der Herstellung von Zement und Mörtel haben die Preise in die Höhe schnellen lassen. Anders der Weg zur nächsten Lehmbaugrube oder zum örtlichen Sägewerk: Transportketten werden kürzer, Energie wird gespart. CO2 in Holz und Stroh wird dauerhaft eingespeichert und damit auch das Klima geschont. Ein weiterer großer Vorteil beim Bau der Gartenlaube: sollte das Haus einmal zurück gebaut werden, bleibt kein Sondermüll wie bei Styropor, Zement oder Dachpappe zurück, der unmöglich rückstandsfrei entfernt werden kann. Die Baumaterialien werden hier praktisch wieder zu Mutterboden. Auch dies ist eine Kehrtwende: In Deutschland war die Baubranche bisher mit 55,4 % des anfallenden Gesamtmülls mit Abstand der größte Müllproduzent. Ein weiterer Vorteil: Lehm, Holz und Stroh sind atmungsaktiv, können also Feuchtigkeitsunterschiede gut ausgleichen – es kommt bei guter Planung nicht zu Staunässe und Schimmel.

Diese Überlegungen brachten uns auf den Gedanken, diese Bauweise selbst auszuprobieren und das angenehme Wohnklima von konstanten 50 % Raumfeuchtigkeit und die Schadstoff-bindenden Eigenschaften des Lehms selbst erleben zu können. Da kam es gerade zur richtigen Zeit, dass wir im KGV Abendsonne eine Parzelle ohne Bebauung entdeckten. Die Offenheit des Vorstandes für das Vorhaben setze letztendlich den Grundstein.

Zum erfolgreichen Beginn des Baus mussten zunächst ein paar Hürden für den unkonventionellen Bau genommen werden: zunächst durfte ein zertifizierter Statiker für den Neubau gefunden und zahlreiche handwerkliche Techniken neu erlernt werden. Dienlich waren hierbei auch der Fachverband für Strohballenbau (FASBA) und zahlreiche Zurufe von Handwerkern und Erfahrungsaustausch im Internet – die Szene ist gut vernetzt.

Nach grünem Licht der Baukommission wurden 25 Punktfundamente gegossen und Trägerbalken aufgeständert. Für das folgende Holzständerwerk wurden vom Sägewerk 6 cm dicke Lärchenbohlen angeliefert. Die Strohballen wurden von einem lokalen Landwirt geliefert und die Abstände der Holzständer in den entsprechenden Breiten der Strohballen errichtet (38 cm Breit), sodass die Strohballen in die nun entstandenen Fächer eingeschoben und der Höhe nach komprimiert und so unter Spannung ausgefacht werden konnten. Abschließend verputzten wir die Wände in zwei Durchgängen mit Lehm. Dieser Arbeitsschritt ist zeitintensiv, lässt sich allerdings auch von Laien schnell erlernen, sodass die Baustelle zeitweilig gefüllt von fleißigen Helfern war – auch zu Freude der Kinder. Denn der Baustoff Lehm hat eine angenehme Beschaffenheit, ist gutmütig bei der Verarbeitung und lässt sich unbegrenzt anfeuchten und neu verarbeiten.

Eventuelle Schäden in den Lehmwänden können angefeuchtet und ausgebessert werden. Im Gegensatz zu Zementputz kann abgeklopftes Material direkt wiederverwendet werden. Bei der Dämmung des Ziegeldachs kam das Feuchtigkeits-tolerante Material Hanffaser zum Einsatz. Der gesamte Bau wurde nach dem Prinzip des konstruktiven Holzschutzes gebaut – unter Holz und im Dach herrscht ein konstanter Luftstrom, der entstehende Feuchtigkeit wieder abtransportiert. Hat sich der ganze Aufwand gelohnt?

Wie aufwendig war der Bau wirklich? Direkt vorab: die Errichtung erfordert einen hohen Zeitaufwand – viele helfende Hände sind also von Vorteil. Geschätzt 3000 Arbeitsstunden sind in Bau und Planung des Hauses geflossen, durch mangelnde Vorerfahrung streckte sich der Bau über zwei Sommer. Dabei spielten aber auch die vielen Materialanfahrt und das tägliche Verstauen der Werkzeuge sowie die einzuhaltenden Ruhezeiten eine einschränkende Rolle. Wir hatten keinerlei planerisches oder Handwerkliches Vorwissen, in Folgeprojekten ließe sich die aufgewendete Zeit sicherlich halbieren.

Ansonsten entspricht die 24 qm- Laube allen Anforderungen der Rahmenkleingartenordnung. Auch an frischen Herbsttagen lässt es sich nach vollbrachten Gartenarbeiten noch im Haus wärmen: Einfallende Sonnenstrahlung wird von den Wänden gespeichert und verzögert abgegeben. Die Erfahrung aus dem ersten Frühling bzw. Herbst zeigt: die Laube hat eine beeindruckende Dämmwirkung, sodass sie sich auch hervorragend zur Frühjahrsanzucht eignet.

Übrigens: Mäuse und Ungeziefer lassen sich mit einigen Tricks in der Konstruktion erfolgreich abschrecken.

Alles in allem War der Bau eine abenteuerliche Reise, die nicht nur viel Freude gemacht und unser handwerkliches Wissen erweitert hat, sondern uns auch in unseren planerischen und kommunikativen Fähigkeiten erweitert hat. Wir sind froh über das Ergebnis und können die Bauweise allen ans Herz legen, die Zeit und Neugier und Helfer mitbringen – alles andere lernt man auf dem Weg.

Tabelle Baukosten (EUR, vor Pandemie) 
Holzkosten3395,61
Lehmputz637,00
Dachziegel70,00
Beton51,70
Dämmung Boden/Dach1130,75
Strohballen450,00
Fenster+Tür400,00
Sonstiges (Schrauben, Farben, Elektrik etc.)572,21
Materialfahrten293,96
 
SUMME7001,23

Adrian Bürkner
Gartenfachberater KGV Abendsonne

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